Veranstaltung: | BJV 2024 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 7 Anträge |
Antragsteller*in: | AK LaWi (dort beschlossen am: 03.05.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.05.2024, 21:47 |
A7: Antrag Landwirtschaft nachhaltig und zukunftsfähig gestalten
Antragstext
Die Bundesjugendversammlung möge folgende Position beschließen:
Die Landwirtschaft, wie wir sie kennen, steht vor massiven
Herausforderungen sowohl in Deutschland als auch global. Die
BUNDjugend sieht es als dringend notwendig und unumgänglich an, dass
unser Ernährungssystem sich sozial- und umweltgerecht an die
Klimakrise anpasst, um diese abzufedern und unsere Natur als
Lebensgrundlage zu erhalten. Dieser Wandel erfordert ein
Verantwortungsbewusstsein seitens der Politik, des Einzelhandels, der
Landwirt*innen sowie uns als Konsument*innen und Aktivist*innen.
Derzeit erleben wir jedoch katastrophale Rückschritte in der
Ausgestaltung der Agrarpolitik sowohl in Deutschland als auch in der
EU. Die Landwirtschaft nutzt unser aller Lebensgrundlagen für die
Produktion und darf demnach nicht allein den kapitalistischen
Spielregeln oder politischen Machtkämpfen unterliegen, sondern muss
gemeinwohlorientiert gestaltet werden. Als BUNDjugend fordern wir:
Klima- und sozialgerechte Ernährungssouveränität in globaler
Dimension!
Unsere Wirtschafts- und Produktionsweisen sowie Konsummuster in der
Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern des Globalen Nordens
haben drastische Auswirkungen auf die Leben von Milliarden Menschen im
Globalen Süden. Damit tragen wir besondere Verantwortung, neben der
Abkehr von ungerechter, extraktivistischer und neokolonialer
wirtschaftlicher Praxis, Länder des Globalen Südens auch auf Augenhöhe
beim Aufbau von Ernährungssouveränität (1) und Resilienz gegenüber den
Auswirkungen der Klimakrise zu unterstützen. Dafür arbeiten wir an
einer umfassenden Transformation des Agrar- und Ernährungssystems.
Dazu gehört der Schutz lokaler Kultur und Märkte vor dem negativen
Einfluss multinationaler Großkonzerne und internationaler
Märkte.Länder, Gemeinden und insbesondere Kleinbäuer*innen müssen
nicht nur als Reaktion auf die durch die Klimakrise verursachten
Katastrophen, sondern bei der Klimawandelanpassung und dem Aufbau von
Ernährungssouveränität unterstützt werden. Diese Unterstützung muss
finanziell, aber auch durch Austausch und Zusammenarbeit, insbesondere
unter Einbezug der Perspektiven junger und marginalisierter Menschen
stattfinden. Auf internationaler Bühne, beispielsweise im Rahmen von
Konferenzen der UNFCCC und FAO, setzen wir uns deshalb für eine
gerechte und explizit dekoloniale Verteilung von Geldern ein.
Privatwirtschaftliche Kooperationen und Investitionsplattformen sehen
wir grundsätzlich kritisch.
Sozialgerechten Wandel und faire Preise für Konsument*innen und
Erzeuger*innen!
Eine nachhaltige und gesunde Ernährung muss allen Personen ungeachtet
ihres sozialen Status ermöglicht werden. Faire, regionale und
umweltverträgliche Produkte dürfen kein Luxus, sondern müssen Standard
sein. Dies gilt besonders für die Versorgung in öffentlichen
Einrichtungen wie Kitas und Schulen. Es bedarf
Subventionierungsmodelle, die explizit die nachhaltige und gesunde
Ernährung für Haushalte mit geringeren Einkommen ermöglichen. Niemand
sollte aufgrund seiner*ihrer sozialen Herkunft auf eine ausgewogene
Ernährung verzichten müssen oder sich weniger nachhaltig ernähren
können. Gleichzeitig muss gesichert werden, dass insbesondere
Erzeuger*innen und Erntehelfende gerecht für nachhaltig erzeugte
Produkte entlohnt werden. Dafür müssen die Verhandlungspositionen der
Erzeugenden gegenüber dem Einzelhandel massiv gestärkt werden.
Regionale Kooperationen zwischen den Erzeuger*innen und
Verbraucher*innen, wie zum Beispiel bei Solidarischen
Landwirtschaften, ermöglichen eine Planungssicherheit für
Landwirt*innen und stärken die regionale und innerbetriebliche
Wertschöpfung. Durch die Direktvermarktung werden Lieferketten
minimiert und Fahrtwege reduziert.
Zudem steigt so das Bewusstsein der Verbraucher*innen für eine
regionale und nachhaltige Produktion.
Öffentliche Gelder nur für Gemeinwohlleistungen!
Wir fordern Subventionen ausschließlich für umweltverträgliche
landwirtschaftliche Praktiken. Die derzeitigen größtenteils
flächengebunden Subventionen der EU sind nicht zielführend, da sie bei
Weitem nicht genug Anreiz zur Umstellung schaffen, eine gute Praxis
nicht ausreichend entlohnen und zum großen Teil zur Bezahlung der
Pacht dienen(2). Damit fließen diese Steuergelder maßgeblich in die
Kassen großer Konzerne und deren Aktionäre, was eine Umverteilung von
unten nach oben darstellt.(3) Alle Subventionen, die die Klima- und
Biodiversitätskrise weiter verschärfen, müssen durch Subventionen, die
die nötigen Transformationen fördern, ersetzt werden. Der Abbau von
GAP-Konditionalitäten und flächengebundenen Direktzahlungen muss mit
dem Aufbau von Ökoregelungen einhergehen, die klima- und
biodiversitätsförderndes Verhalten entsprechend gesellschaftlich
honorieren.
Flächenkonkurrenz auflösen durch Priorisierung und Mehrfachnutzung!
Flächen sind bereits heute ein teures und knappes Gut und müssen
gerecht verteilt und genutzt werden. Die landwirtschaftliche Fläche
sollte der Allgemeinheit oder den Bäuer*innen selbst gehören. Sie darf
nicht nur teuer zur Pacht durch (Groß-)Grundbesitzer*innen zur
Verfügung gestellt werden. Die weitere Versiegelung und Zerstörung von
landwirtschaftlichen Flächen muss gestoppt werden. Grünland und
Moorflächen müssen dringend erhalten bleiben, da sie wichtige CO2-
Senke darstellen. Gleichzeitig muss eine Umnutzung von Ackerflächen
erfolgen, die momentan ausschließlich zur Futter- (bspw. Mais oder
Futtergerste) oder Energieproduktion dienen. Eine Mehrfachnutzung von
Flächen, z. B. zur Energieversorgung, muss überall dort erfolgen, wo
es sinnvoll ist.
Die BUNDjugend begrüßt die zunehmende Erforschung von bspw.
Agrophotovoltaik oder Solaranlagen auf Moorflächen. Modell- und
Forschungsprojekte im Sinne der Agrarökologie sollten gefördert und
die Genehmigung vereinfacht werden. Wertvolle Flächen für den Natur-
und Klimaschutz wie Moore oder Grünland müssen prioritär geschützt
oder wiederhergestellt werden. Während in diesem Kontext immer über
Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung diskutiert wird, sollte
vermehrt auf den viel größeren Flächenverlust durch Bergbau,
Energiepflanzen, Futtermittel und Siedlungs- und Verkehrsfläche
eingegangen werden (4).
Umbau der Tierhaltung fördern, Tierbestände reduzieren!
Die Landwirtschaft der Zukunft muss die Tierbestände massiv reduzieren
und sollte nur so viele Tiere beinhalten, wie die regional verfügbare
Fläche ernähren kann. Dadurch werden Futterimporte beendet und
regionale Nährstoffüberschüsse vermieden. Die Tierhaltung darf nur
nach den Vorgaben des Tierschutzgesetzes erfolgen, was Anbindehaltung,
Qualzuchten oder die präventive Verstümmelung von Nutztieren
ausschließt. Nicht artgerechte Haltungsformen wie z. B. auf
Spaltenböden, die ein artgemäßes Verhalten verhindern und Schmerzen
verursachen, müssen ebenfalls abgeschafft werden. Lange
Lebendtiertransporte, bspw. über Ländergrenzen hinweg sowie lange
Transportwege lehnen wir ab. Sämtliche tierische Produkte müssen für
die Verbrauchenden sichtlich gekennzeichnet und in ihrer Herkunft und
Haltung benannt werden. Für den Umbau müssen geförderte
Finanzierungsmodelle für die Tierhaltenden bereitgestellt werden.
Zudem müssen alternative Eiweißquellen gefördert werden. Pflanzliche
Eiweißquellen bieten einen vollwertigen Ersatz von tierischen
Produkten. Gleichzeitig haben sie einen wesentlich geringeren
Ressourcenverbrauch, fördern die Biodiversität und (er-)halten die
Wertschöpfung im ländlichen Raum.
Agrarökologie statt Technofixes!
Landwirtschaftliche Praxis soll den Prinzipien der Agrarökologie
folgen. Das bedeutet, dass sie regional angepasst ist und die zur
Verfügung stehenden Ressourcen nutzt, achtet und erhält.
Agrarökologisch erzeugte Lebensmittel dürfen keine Nischenproduktion
bleiben, sondern sind essentiell, um unsere Natur zu schützen. Der
Erhalt der Biodiversität auf den Feldern und in anliegenden
Ökosystemen und somit deren Funktionsfähigkeit erfordert unter anderem
eine drastische Dünger- und Pestizidreduktion. Nur so kann dem
Artensterben entgegengewirkt werden. Hierbei steht die BUNDjugend
technologischen Lösungen wie bspw. Gentechnik oder Robotik
grundsätzlich kritisch gegenüber, da diese oft nur Symptome bekämpfen,
ohne einen grundlegenden Wandel in der Landwirtschaft zu fördern.
(“False Solutions” vgl. Beschluss der BJV 2022: “Klimaneutralität ist
keine Lösung”) Denn unser aktuelles, stark monokulturell-
industrialisiertes und auf maximale Produktivität getrimmtes
Agrarsystem hat keine Zukunft - ob mit oder ohne Digitalisierung, KI,
GMOs und Robotik. Ebenfalls problematisch ist die zunehmende
Patentierung technischer Lösungen. Diese verstärkt die Macht von
Großkonzernen, indem sie die Abhängigkeit der Erzeuger*innen erhöht.
Zudem geht mit diesen neuen, hochtechnologischen und digitalisierten
Lösungen häufig ein deutlich gestiegener Ressourcen- und
Energieverbrauch, bspw. durch seltene Erden und Rechenzentren bzw.
Cloud-Lösungen einher. Vorteilhafte Lösungen, die im Sinne der
Agrarökologie sind, dürfen nicht nur den größten und reichsten
Betrieben vorbehalten sein und dürfen den Konkurrenzdruck für kleiner
aufgestellte Betriebe nicht erhöhen.
In einem gerechten agrarökologischen System können technologische
Lösungen wie Fernerkundung oder KI dennoch einen Platz finden, ohne
von systemischen Problemenabzulenken. Dabei gilt, wie in anderen
Anwendungsbereichen, dass der Einsatz digitaler Werkzeuge und die
Datensammlung für ihren Betrieb den digitalen Kolonialismus (vgl.
Beschluss der Bundesjugendversammlung 2023) nicht weiter verstärken
darf. Vielmehr sollen sie so gefördert und im Sinne des Gemeinwohls
entwickelt werden, dass sie die Souveränität von Bäuer*innen weltweit
erhalten sowie Ressourcen und Biodiversität schonen.
Strukturwandel entgegenwirken – Zugang zu Fläche sichern!
Die BUNDjugend unterstützt den Erhalt von Kleinbetrieben und die
Umstellung von konventioneller zur agrarökologischen Landwirtschaft
und flächengebundener Tierhaltung. Diese Umstellungen sind teilweise
mit hohen Kosten verbunden. Erzeuger*innen müssen demnach von der
Politik finanzielle Unterstützung und Beratung erhalten. Gesetzliche
Vorgaben mit gerechten Fristen zur Umstellung begrüßen wir, da diese
den Betrieben die nötige Planungssicherheit geben. Junglandwirt*innen
müssen in der Beschaffung von Flächen unterstützt werden, um die
Neugründung von Betrieben zu vereinfachen.
Reduktion von Lebensmittelverschwendung!
2 Milliarden Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu sicherer,
nahrhafter und ausreichender Nahrung (5) Gleichzeitig wird ein Drittel
der weltweit produzierten Lebensmittel weggeworfen, in Deutschland
sind es jährlich knapp 11 Millionen Tonnen (6). Diese Absurdität muss
beendet werden. Die entlang der gesamten Wertschöpfungskette
eingesetzten Ressourcen fehlen an anderer Stelle. Menschliches Leiden
und Umweltschäden könnten vermieden werden, wenn dem Thema
Wertschätzung von Lebensmitteln und ihren Erzeuger*innen mehr
Aufmerksamkeit geschenkt wird. Produktionsmengen müssen bedarfsgerecht
werden und es bedarf einer besseren Aufklärung der Konsument*innen
bezüglich Ressourceneinsatz und Verderblichkeit. Außerdem braucht es
neue Strategien sowie Rechte und Vorschriften in Bezug auf die
vollständige Verwertung von Lebensmitteln und die Vereinfachung der
Weitergabe von Lebensmitteln, die nicht mehr zum Verkauf geeignet
sind. Das Geld, das momentan für die Erzeugung, den Transport und die
Entsorgung der weggeworfenen Lebensmittel eingesetzt wird, kann so an
anderer Stelle sinnvoll eingesetzt werden. Macht der Großkonzerne und
des Handels zerschlagen – lokale Wertschöpfungsketten stärken! Der
Umgang mit unseren Nahrungsgrundlagen darf nicht den finanziellen
Interessen einzelner unterliegen. Großkonzerne, die sich auf
Agrochemie oder Gentechnik spezialisiert haben, müssen klare und vor
allem strengere Regeln und Verbote von der Politik auferlegt bekommen.
Das betrifft vor allem die Exporte von gefährlichen (bei uns
verbotenen) Chemikalien ins Ausland und die zunehmende Patentierung
von Lebensmitteln und Saatgut. Auch der Einzelhandel, der im
Wesentlichen von nur vier großen Konzernen kontrolliert wird, muss in
seiner Macht beschränkt werden, damit Erzeugende nicht weiter
preislich unter Druck gesetzt werden können (7).
Dies bedeutet auch eine Einschränkung von Greenwashing durch mehr
Transparenz in Bezug auf die Herkunft, den Anbau und die weitere
Verarbeitung. Im Laden und in der Werbung muss dies klar
gekennzeichnet sein. Wie bereits genannt, muss ein Ausbau von lokalen
Weiterverarbeitungsstrukturen und Direktvermarktung erfolgen und
unterstützt werden. Wir begrüßen die Förderung und den Ausbau von
demokratischen, genossenschaftlichen und gemeinnützigen Strukturen.
Weiterführende Quellen
1 https://viacampesina.org/en/food-sovereignty/
2 https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/eu-agrarpolitik-und-
foerderung/direktzahlung/
direktzahlungen.html
3 https://www.agrarheute.com/management/finanzen/reichsten-bauern-
deutschland-gar-keine-
bauern-588842
4 https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit/strategie-und-
umsetzung/reduzierung-des-fl
aechenverbrauchs#:~:text=Ausweislich%20der%20amtlichen%20Flächenstatis-
tik%20des,von%20circa%2072%20Fußballfeldern%20täglich.
5 https://www.aktion-deutschland-hilft.de/de/fachthemen/natur-
humanitaere-katastrophen/hungersnoete/infografik-hunger-weltweit
6
https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/leb-
ensmittelverschwendung_node.html
7https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Interviews/DE/2016/Fuldare-
r_Zeitung__Die_Big_Four_haben_85_Prozent_Marktanteil.html#:~:text=1999-
%20hatten%20wir%20bundesweit%20noch,Kaufland%20%E2%80%93%20mit%2085%20-
Prozent%20Marktanteil.
Glossar
Agrarökologisch = beschreibt das Schaffen von gerechten
Ernährungssystemen im Einklang mit der Natur
(https://www.biovision.ch/story/agraroekologie-kurz-erklaert/)
flächengebundene Tierhaltung = Das Futtermittel für die Tiere kann auf
den eigenen Flächen produziert werden
GMO = Gentechnisch veränderter Organismus (gentically modified
organism)
KI = Künstliche Intelligenz
Qualzucht = Züchtung einer Tierrasse, deren Merkmale zu
Verhaltensstörungen, Leiden, Schmerzen oder anderen systematischen
Gesundheitseinschränkungen führen
Technofixes = Der Versuch (oder Vorwand) soziale oder ökologische
Probleme mit
technischen Erfindungen anzugehen.
Änderungsanträge
- Ä1 (Jonathan Deisler (Bundesverband), Eingereicht)